“Es sind die Konsument*innen, Dummkopf!”
Der Versuch der Europäischen Zentralbank dem Deflationsdruck entgegenzuwirken, indem sie den Banken Gelder aus quantitativer Lockerung geben, ist ineffektiv und führt auch nicht zu Umverteilung. Die EZB muss unkonventionellere politische Maßnahmen in Erwägung ziehen, wenn sie die Realwirtschaft wieder in Gang bekommen will.
Bei der Bekanntgabe des Programms zur quantitativen Lockerung am Donnerstag, den 22.01.2015, zeigte die EZB, dass sie nichts aus den letzten Programmen zur monetären Lockerung in Großbritannien und den USA gelernt hat, wo diese keine bedeutsamen Ergebnisse für die Realwirtschaft gebracht haben.
“Die Erfahrung aus den USA zeigt, dass quantitative Lockerung nur dann für die Realwirtschaft nützlich ist, wenn sie mit einer expansiven Fiskalpolitik kombiniert wird. In Europa besteht jedoch die Absicht, die quantitative Lockerung mit Sparpolitik zu verbinden, was garantiert, dass mögliche Vorteile der quantitativen Lockerung sofort aufgehoben werden. Da keine grundlegende Änderung der Finanzpolitik in der Eurozone in Sicht ist, erwarten wir also, dass die Wirtschaftskrise andauern wird,” sagte Thomas Fazi, Mitglied des europaweiten Grundeinkommensnetzwerkes UBI-Europe mit Bezug auf die Schlussfolgerungen eines kürzlich von ihm verfassten Artikels.
Quantitative Lockerung führt nicht zu Umverteilung
Im schlimmsten Fall könnte ein solches Programm Ungleichheiten erhöhen. Zu diesem Schluss kommt selbst die Bank von England in einem aktuellen Forschungspapier (pdf): “Durch die Erhöhung einer Reihe von Vermögenspreisen haben Anlagenkäufe den Wert der Finanzvermögen (abgesehen von den Pensionsfonds) der privaten Haushalte stark gesteigert, wobei der Besitz sehr ungleich verteilt ist, da die oberen 5% der Haushalte 40% dieser Vermögenswerte halten.”
Kurz: von diese Art der quantitativen Lockerung profitieren die Reichen, nicht die Armen.
Es gibt jedoch eine Alternative: Quantitative Lockerung für die Menschen
Das europaweite Netzwerk Unconditional Basic Income Europe (UBIE) fordert die EZB zu einer alternativen Geldpolitik auf: das Geld aus der monetären Lockerung soll direkt in die Taschen der Bürger*innen verteilt werden.
“Quantitative Lockerung für die Menschen ist nicht nur ein effizienterer Ansatz, um die Realwirtschaft direkt anzukurbeln, sondern ist auch gerechter im aktuellen Kontext der starken sozialen Ungleichheiten und dem Anstieg von extremer Armut in der Eurozone. Auf diese Weise könnte die EZB zwei Ziele gleichzeitig erreichen,” sagte Thomas Fazi.
Das klingt vielleicht radikal, doch viele Ökonomen wie Anatole Kaletsky und Steve Keen unterstützen diese Idee.
Mehrere Vorschläge für eine solche Politik wurden kürzlich vorgebracht, beachtenswerter Weise auch durch den Oxford-Ökonom John Muellbauer und den Chefökonom für Europa der französischen Investmentbank Natixis, Sylvain Broyer. Muellbauer ruft dazu auf 500 Euro an alle Bürger*innen in der Eurozone zu verteilen, während Broyer sogar 3.000 Euro vorschlägt.
Mit der Summe aus quantitativer Lockerung, die gestern von der EZB enthüllt wurde, könnte alternativ eine Zahlung von 2.100 Euro für alle Einwohner*innen der Eurozone finanziert werden.
“Eine solche Politik könnte ein pragmatischer, direkter Weg zu einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle in der Eurozone sein. Es würde einen Präzedenzfall schaffen,” sagte Stanislas Jourdan, einer der Koordinator*innen von UBI-Europe. “Während wir uns darauf verlassen können, dass die Bürger*iinnen ihr Geld ausgeben werden, haben die Banken in früheren Programmen zur quantitativen Lockerung gezeigt, dass man sich nicht auf sie zählen kann, das Geld zu verleihen.”
Quantitative Lockerung für die Menschen würden nicht gegen EU-Verträge verstoßen
“Im Gegensatz zu einer Finanzierung von Regierungen und öffentlichen Stellen durch die EZB, ist es in den EU-Verträgen der EZB nicht explizit verboten, Geld direkt an die Bürger*innen auszugeben,” erklärt Thomas Fazi.
Darüberhinaus würde ein solches Programm weit mehr Schutz für die Unabhängigkeit der EZB bedeuten. Indem sie das Geld aus der quantitativen Lockerung ohne Unterschiede an alle Bürger*innen gleich verteilt, könnte der Institution nicht vorgeworfen werden, in Regierungsangelegenheiten einzugreifen.